Wer war Gerhard Mercator?

Geerd de Cremer - Gerhard Mercator
Ein Gelehrter aus Flandern

Am 5. März 1512 wird Geerd de Cremer in Rupelmonde in Flandern geboren. Seine Eltern Emerance und Hubert stammen aus dem Städtchen Gangelt bei Heinsberg, wo er auch die ersten Lebensjahre verbringt. Der Vater ist ein einfacher Schuhmacher, die kinderreiche Familie lebt in Armut und zieht fort nach Rupelmonde. Hier lebt Geerds Oheim Gisbert, der als Priester am Hospiz der Stadt ein gutes Auskommen hat. Als Hubert Cremer früh verstirbt, übernimmt der Oheim die Kosten für eine gute Schulausbildung des 14-jährigen Geerd bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben in ’s-Hertogenbosch in Brabant. Die Ordensgemeinschaft propagiert ein einfaches Leben in Frömmigkeit und ist eine der bedeutenden Vertreter der katholischen Reformbewegung, der devotio moderna.
1530 schrieb sich Geerd als Gerardus Mercator, der latinisierten Namensform, an der Universität von Löwen ein. Ob er allerdings 1532 dort einen Abschluss gemacht hat, ist ungesichert. Weder existieren an der Universität entsprechende Unterlagen noch wird er in späteren Dokumenten mit dem Titel belegt.
Nach längerem Aufenthalt in Antwerpen kehrt Gerhard Mercator nach Löwen zurück und lernt bei Gemma Frisius die Herstellung von Karten, den Globenbau und die Landvermessung. Er macht sich selbständig und kann 1536 eine Familie gründen. Mit der Löwener Bürgerstochter Barbara Schellekens wird er drei Töchter und ebensoviele Söhne aufziehen. Eine Karte des Heiligen Landes und eine Wandkarte von Flandern begründen seinen Ruf, 1541 bringt er einen eigenen Erdglobus von bislang unbekannter Präzision heraus.
Im Februar 1544 wird er von der Inquisition wegen Ketzerei und Häresie angeklagt und im Kastell Rupelmonde in Kerkerhaft gesetzt. Während von 40 weiteren Angeklagten aus Löwen fünf zum Tode verurteilt und hingerichtet werden, finden sich für Mercator einflussreiche Fürsprecher: Nach langer Kerkerhaft kommt er Ende September frei und kehrt nach Löwen zurück. Die genauen Anklagepunkte sind bis heute nicht bekannt, auch Mercator hat sich später nie dazu geäußert.
1551 bringt Mercator seinen Himmelsglobus heraus, in gleicher Größe und ebenso prächtig wie zuvor seine Erdkugel. Danach beginnt er mit den Arbeiten zu einer großen Europakarte, doch die kann er nicht mehr in Löwen fertigstellen. Im März 1552 zieht er mit Familie, Werkstatt und Bücherei ins klevische Duisburg um.

Bild: Flandern-Karte aus dem Atlas des Gerhard Mercator, Ausschnitt (Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg)

Mercators Leben in Duisburg

Mit 42 Jahren kommt Gerhard Mercator nach Duisburg, eine klevische Stadt mit rund 3000 Einwohnern. Die Gründe für diese Wahl kennen wir nicht durch eigene Aussagen, vermutlich sind es die Pläne des Landesherrn, hier eine Universität zu gründen. Zudem ist Wilhelm der Reiche, Herzog von Jülich-Kleve-Berg, bekannt durch eine damals außergewöhnliche religiöse Toleranz in seinen Ländern. Auch als sich die Universitätspläne zerschlagen haben, bleibt der Kartograph in der Stadt – 1558 kauft die Familie ein großes Anwesen an der Oberstraße, nur wenige Schritte entfernt vom Burgplatz. In der Werkstatt lernen Mercators Söhne alles, was man zur Landvermessung und zur Herstellung von Karten braucht. Hier werden die prächtigen Globen gefertigt, hier entstehen die Kartenwerke. Die große Europakarte ist seit 1554 auf dem Markt und ein großer kommerzieller Erfolg. 1569 kommt dann eine Weltkarte für die Seefahrer heraus, in seiner speziellen, neu entwickelten Projektion der wachsenden Breiten. Auf ihr beruht bis heute die gesamte moderne Navigation zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft.
Mercator ist lange Jahre Hofkosmograph des Herzogs und international mit vielen Gelehrten in regem Kontakt. Das Duisburger Bürgerrecht hat er anscheinend nie angestrebt, erst sein ältester Sohn Arnold wird Duisburger und engagiert sich in kommunalen Ämtern.
Am 2. Dezember 1594 stirbt der hochbetagte Gelehrte, er wird in der Salvatorkirche bestattet. Das Familiengrab ist nach 1900 bei Bauarbeiten in der Kirche zerstört worden, aber das eindrucksvolle Epitaph kann noch heute in der Seitenkapelle besichtigt werden. Die Herausgabe seines Kartenwerks, das er nach einem legendären mauretanischen König Atlas benennt, übernimmt sein Sohn Rumold wenige Monate später.

Bild: Portrait Gerhard Mercators von Franz Hogenberg, 1574 (Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg)

Atlas - Mercator nennt sein Kartenwerk nach einem König

Gerhard Mercator verfolgt bis zu seinem Tod im Dezember 1594 das Ziel, die gesamte Schöpfung Gottes in einem geordneten Werk darzustellen. Sein Buchtitel Atlas sive Cosmographicae Meditationes de Fabrica Mundi et Fabricati Figura, "Atlas oder kosmographische Gedanken über die Erschaffung der Welt und die Gestalt der Schöpfung", wird in der Kurzform Atlas zum Sammelbegriff für alle Kartenwerke bis zum heutigen Tag.
Neben der biblischen Schöpfungsgeschichte gehört zu seinem Werk die Geschichte der Völker und Länder, vor allem jedoch die Gestalt und Beschaffenheit der Länder und Kontinente. Bereits ab 1585 veröffentlicht Mercator Teilausgaben von Landkarten, die bereits einheitliches Format haben, nach Norden ausgerichtet sind und ein durchgängiges Design zeigen. Die Publikation des Gesamtwerkes erlebt der 82-Jährige nicht mehr, doch drei Monate nach seinem Tod gibt Mercators Sohn Rumold ab März 1595 den ersten Atlas heraus. Auch die zweite Auflage in Duisburg wird ein großer Erfolg, doch dann stirbt Rumold und niemand in der Familie kann die Geschäfte fortführen. Das kartographische Erbe kauft der Verleger Jodocus Hondius in Amsterdam, hier erscheinen in den folgenden Jahrzehnten unter dem Namen Mercators in vielen Auflagen, Übersetzungen und Formaten immer neue Atlanten.


Bild: Titelblatt des ersten Atlanten aus Duisburg, 1595 (Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg)

Die Weltkarte
"ad usum navigantium"

Im Jahre 1569 legt Gerhard Mercator seine große Weltkarte vor, ihr kompletter Titel lautet: Nova et aucta orbis terrae descriptio ad usum navigantium emendate accommodata – Neue und erweiterte Beschreibung des Erdkreises zum Gebrauch bei der Seefahrt richtig angepasst.
Über Jahrzehnte hinweg hat sich Mercator über das alte Problem der Seefahrer Gedanken gemacht, die damals trotz genauester Messungen und Korrekturen immer wieder ihr Fahrtziel verfehlten. Bereits 1541 trägt er auf seinem Erdglobus als Erster gekrümmte Kursgleichen (Kompasskurs-Linien) ein. So gelangt er zur Lösung des Problems: Der Magnetpol liegt nicht in den himmlischen Sphären, sondern auf der Erde!
Die Kupferstichblätter, aus denen die Karte zusammengeklebt wird, ergeben mit Rand eine Gesamtbreite von 2,12 m (Höhe 1,34 m). Die Karte zeigt die Kugeloberfläche der Erde in einer Weise, in der die (in der Realität gekrümmten) Kompasskurs-Linien als Geraden dargestellt werden. Dadurch werden allerdings alle Länder umso stärker vergrößert, je weiter sie vom Äquator entfernt liegen.
Diese Projektion der wachsenden Breiten, später Mercator-Projektion genannt, bot den Seefahrern zum ersten Mal in der Geschichte die Möglichkeit, über größere Strecken den Kompasskurs exakt zu bestimmen. Dazu brauchten sie lediglich den Start- und Zielort mit einem geraden Strich zu verbinden, dann ergab der Winkel zu den Meridianen, also nach Nord oder Süd, den richtigen Kurs.
Heute ist die Mercator-Projektion Grundlage aller Navigation auf dem Wasser, zu Lande und in der Luft.

Im Jahr 2019 feierten wir ein großes Jubiläum:
Da wurde die Weltkarte "ad usum navigantium" 450 Jahre alt.

Bild: Weltkarte 1569 mit Projektion der wachsenden Breiten, Ausschnitt (Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg)
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